Hochschulebene

Das Thema der Digitalisierung ist für Hochschulen ein durchaus komplexes, aber insbesondere ein strategisch relevantes Thema. Wie sie dieses für die Entwicklung der eigenen Hochschule wahrnehmen, interpretieren und geeignete Maßnahmen entwickeln, spiegelt sich u.a. in den öffentlich zugänglichen Hochschulstrategien wider.

Um nun einen umfassenden Überblick über die nach außen formulierten Haltungen und Einstellungen deutscher Hochschulen zu diesem Thema zu bekommen, wurden zunächst alle öffentlich zugänglichen Hochschulstrategien und Digitalisierungsstrategien recherchiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

» Weitere Informationen zum Konzept und methodischen Vorgehen

Hochschulstrategien und Digitalisierungsstrategien im deutschlandweiten Überblick

Einen interessanten Ausgangspunkt zur Betrachtung der Rechercheergebnisse aus dem Forschungsprojekt Higher Education Institutions' Digital Strategies (HEIDS) zu öffentlich zugänglichen Hochschul- und Digitalisierungsstragien an deutschen nicht-privaten Hochschulen bietet der Vergleich der einzelnen Bundesländer. Aufgrund der föderalen Strukturen ist davon auszugehen, dass auch die strategische Ausrichtung allgemein, aber auch im Bereich Digitalisierung in der Hochschulbildung länderspezifische Ausprägungen aufweist. Daher sollen die Hochschul- und Digitalisierungsstrategien in den Kontext der jeweiligen Bundesländer analytisch eingebettet werden.
Zusätzlich zu der folgenden Ergebnisdarstellung aus dem Projekt HEIDS, das vom 01.09.-31.12.2018 lief, beachten Sie bitte auch diese im Forschungsprojekt entstandenen Dokumente:

1 Gesamtheit der Ergebnisse

Die erste Erhebung hinsichtlich der im Konzept Hochschulebene benannten Suchbegriffe führte zu 192 Dokumenten an 279 öffentlich-rechtlichen (240) und staatlich anerkannten kirchlichen (39) Hochschulen.

Ein Vergleich der ersten Rechercheergebnisse vor der Anpassung des Samples zwischen den Hochschulen der Bundesländer zeigt, dass in sieben Bundesländern mehr als 50% der öffentlich-rechtlichen und staatlich anerkannten kirchlichen Hochschulen über eine öffentlich zugängliche Hochschulstrategie verfügen (Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein) mit sogar 75% im Saarland und in Niedersachsen.

Nach Anpassung des Samples konnten die Ergebnisse differenzierter dargestellt werden.

2 Differenzierung der Ergebnisse

2.1 Strategietypen auf Hochschulebene

Bezüglich der Unterscheidung zwischen Hochschulstrategien und Digitalisierungsstrategien ist zu betonen, dass erstere im Vergleich zu den Digitalisierungsstrategien in der Überzahl sind. Von den 127 Dokumenten wurden 42 Dokumente als Digitalisierungsstrategien definiert. Diese lassen sich differenzieren in 20 IT-Strategien mit dem Fokus auf die Verbesserung der IT-Infrastruktur, 13 Digitalisierungsstrategien in der Lehre (inkl. E-Learning) und neun Digitalisierungsstrategien mit dem Fokus auf die gesamte Hochschule. Diese definitorischen Abgrenzungen dienen jedoch vor allem zur Komplexitätsreduktion und bedeuten nicht, dass IT-Strategien keine hochschulübergreifend relevanten Aussagen über die Anforderungen und Zielsetzungen von Forschung, Lehre und Verwaltung treffen.

Betrachtet man dabei die Erstellungsjahre und die Laufzeiten, fällt auf, dass E-Learning-Strategien die ältesten Strategien darstellen, wobei die älteste von 2004 ist. Der Großteil der öffentlich zugänglichen Digitalisierungsstrategien und Digitalisierungsstrategien in der Lehre wurde ab 2015 veröffentlicht. Die älteste IT-Strategie wurde 2009 veröffentlicht, die aktuellste 2018. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einige Hochschulen darauf verweisen, dass eine zuvor bestehende E-Learning- oder IT-Strategie weiterentwickelt wurde. Damit ist keine Aussage über den ersten Zeitpunkt der strategischen Auseinandersetzung möglich.
Übergreifend fällt auf, dass den Hochschulentwicklungsplänen ein klarer zeitlicher Rahmen zugrunde gelegt ist mit einer durchschnittlichen Laufzeit von vier bis fünf Jahren. Bei den Digitalisierungsstrategien wird oft kein zeitlicher Rahmen genannt.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Aktualität des Themas Digitalisierung einige Dokumente auch erst nach dem Erhebungszeitraum (bis 15.09.2018) bzw. nach der Projektlaufzeit von HEIDS (bis 31.12.2018) entstanden. Diese wurden nicht in die Analysegrundlage integriert. Eine Nacherhebung war aufgrund des Ausmaßes nicht möglich.

2.2 Verteilung der Hochschul- und Digitalisierungsstrategien nach Bundesland

In den Bundesländern Bremen, Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben mindestens 40% der öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Hochschulen eine öffentlich zugängliche Hochschulstrategie:

Eine Analyse der Digitalisierungsstrategien (inkl. IT-Strategien) ergab, dass keine der 39 kirchlichen Hochschulen über eine öffentlich zugängliche Digitalisierungsstrategie verfügt. Der Grund dafür kann darin liegen, dass staatlich anerkannte kirchliche Hochschulen – wie auch staatlich anerkannte private Hochschulen – nicht unmittelbar verpflichtet sind, den landesweiten Hochschulentwicklungsplanungen zu folgen. Die Landeshochschulgesetze beziehen sich dabei auf spezifische rechtliche Regelungen für kirchliche Hochschulen wie bspw. das Staatskirchenrecht (vgl. Wissenschaftsrat 2012: 69, Quelle). Staatlich anerkannte kirchliche Hochschulen existieren nur in 10 Bundesländern: Nordrhein-Westfalen (8), Baden-Württemberg (7), Bayern (7), Hessen (5), Rheinland-Pfalz (3), Sachsen (3), Berlin (2), Sachsen-Anhalt (2), Brandenburg (1) und Hamburg (1).

Die Angaben zu Digitalisierungsstrategien beziehen sich daher nur auf die öffentlich-rechtlichen Hochschulen pro Bundesland. Der höchste Anteil von Hochschulen, die eine öffentlich zugängliche Digitalisierungsstrategie haben, findet sich in Sachsen-Anhalt (43%), Brandenburg (38%) und Hamburg (28%). In fünf Bundesländern (Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) haben zwischen 20 - 27% der öffentlich-rechtlichen Hochschulen eine Digitalisierungsstrategie veröffentlicht. In vier Bundesländern (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Saarland) hingegen hat dies keine einzige Hochschule getan:

Nach der Anpassung des Samples und der Auswahl nur einer Strategie pro Hochschule (siehe Konzept Hochschulebene) wird auch deutlich, in welchen Bundesländern Hochschulen über eine öffentlich zugängliche Hochschulstrategie, jedoch keine Digitalisierungsstrategie verfügen: Es zeigt sich, dass der Anteil dieser Hochschulen zwischen 33% in Mecklenburg-Vorpommern und 60% in Bremen liegt.

2.3 Differenzierte Betrachtung der Hochschulstrategien nach Hochschultyp und Trägerschaft pro Bundesland

Ausgehend von den hochschulübergreifenden Hochschulentwicklungsplänen und der Verpflichtung durch das Landeshochschulgesetz, Hochschulentwicklungspläne zu erstellen, könnte davon ausgegangen werden, dass öffentlich-rechtliche Hochschulen mit dem Wissenschaftsministerium als Aufsichtsbehörde anteilsmäßig über mehr öffentlich zugängliche Hochschulstrategien verfügen. Nur drei Bundesländer haben keine hochschulübergreifenden Hochschulentwicklungspläne (Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz), der inhaltliche Handlungsfelder formuliert. Zwei davon haben auch keine klare gesetzliche Vorgabe zur Erstellung von Hochschulentwicklungsplänen (Berlin und Rheinland-Pfalz). Ein Vergleich dieser Bundesländer mit den anderen Bundesländern weist nicht direkt darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen hochschulübergreifenden Hochschulentwicklungsplänen und gesetzlicher Verpflichtung und der Veröffentlichung einer Hochschulstrategie durch die Hochschulen gibt, da sich der dortige Anteil der Hochschulen mit einer öffentlich zugänglichen Hochschulstrategie (Berlin 23%, Rheinland-Pfalz 33%) nicht wesentlich von dem Anteil in den anderen Bundesländern unterscheidet. Auch haben vier der 39 kirchlichen Hochschulen (10%) in vier Bundesländern (Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen) eine öffentlich zugängliche Hochschulstrategie, obwohl sie rechtlich nicht unmittelbar dazu verpflichtet sind.

Neben der unterschiedlichen Verteilung der kirchlichen Hochschulen in den Bundesländern sind auch hinsichtlich anderer Trägerschaften Unterschiede zwischen den Bundesländern zu finden. In zwei Bundesländern (Bremen und Hessen) findet sich jeweils eine Hochschule in Trägerschaft eines anderen Landesministeriums. In zwei anderen Bundesländern (Bayern und Hamburg) wird die Universität der Bundeswehr durch den Bund reguliert. Auch eine der vier Hochschulen mit anderer Aufsichtsbehörde hat eine öffentlich zugängliche Hochschulstrategie.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Trägerschaft und öffentlich zugänglicher Hochschulstrategie erkennbar ist, wenngleich der Anteil der öffentlich zugänglichen Hochschulstrategien in kirchlichen Hochschulen unterdurchschnittlich ist. Hochschulen scheinen damit grundsätzlich nicht nur der Verpflichtung nachzukommen, sondern der Entwicklung eines Hochschulentwicklungsplans bzw. der Veröffentlichung eine Bedeutung beizumessen.

Die Bundesländer unterscheiden sich darüber hinaus hinsichtlich der vorhandenen Hochschultypen. Ein Hochschultyp – die Pädagogische Hochschule – existiert nur (noch) in Baden-Württemberg (6). Die Duale Hochschule existiert nur zweimal in Deutschland – in Baden-Württemberg und Thüringen. Kunst- und Musikhochschulen sind zwar in allen Bundesländern vertreten, machen aber nur 20% aller 279 öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Hochschulen aus. Ausgehend vom Hochschultyp wird deutlich, dass vier der sechs Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg (66%), eine der Dualen Hochschulen und neun der 57 Kunst- und Musikhochschulen (16%) eine öffentlich zugängliche Hochschulstrategie, aber keine Digitalisierungsstrategie haben. Bezüglich des Hochschultyps zeigt sich also auch, dass neben den kirchlichen Hochschulen ebenfalls die Kunst- und Musikhochschulen anteilig unter dem Durchschnitt der öffentlich zugänglichen Hochschulstrategien in den Bundesländern liegen. Unterschiede zwischen Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sind gering: 30% der HAW und 35% der Universitäten verfügen bundeslandübergreifend über eine Hochschulstrategie, aber keine explizite Digitalisierungsstrategie.

2.4 Differenzierte Betrachtung der Digitalisierungsstrategien nach Hochschultyp und Trägerschaft pro Bundesland

Es stellt sich die Frage nach einem Zusammenhang zwischen einer hochschulübergreifenden Digitalisierungsstrategie im Bundesland und der Existenz einer öffentlich zugänglichen Digitalisierungsstrategie. 13 Bundesländer haben eine ressortübergreifende Digitalisierungsstrategie formuliert und sieben Bundesländer sogar eine hochschulübergreifende Digitalisierungsstrategie (Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen). Es zeigt sich, dass in vier dieser Bundesländer (Bayern, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) der Anteil an (öffentlich-rechtlichen) Hochschulen mit einer öffentlich zugänglichen Digitalisierungsstrategie über 20% liegt. Es kann somit festgestellt werden, dass in vier Bundesländern ein Zusammenhang zwischen der Existenz einer ressortübergreifende Digitalisierungsstrategie bzw. einer hochschulübergreifenden Digitalisierungsstrategie und einer höheren Veröffentlichungsrate von Digitalisierungsstrategien zu bestehen scheint. In Sachsen beträgt der Anteil (öffentlich-rechtlicher) Hochschulen mit einer öffentlich zugänglichen Digitalisierungsstrategie jedoch nur 14%, in Thüringen 10% und in Baden-Württemberg sogar nur 2%, obwohl Sachsen und Baden-Württemberg zu den ersten Bundesländern gehörten, die eine hochschulübergreifende Digitalisierungsstrategie formuliert haben. Mögliche Ursachen könnten in dem Fokus der Landesstrategien zu suchen sein, der auf Zusammenarbeit der Hochschulen und/oder der bundeslandweiten Weiterentwicklung von Digitalisierung in Studium und Lehre liegt und damit weniger auf der Profilierung – als ein möglicher Grund für Strategieentwicklung – von Einzelhochschulen. Diese möglichen Ursachen können mit der hier umgesetzten Studie weder bestätigt noch widerlegt werden.

Auffällig ist, dass in vier Bundesländern (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Saarland) keine (öffentlich-rechtliche) Hochschule eine öffentlich zugängliche Digitalisierungsstrategie hat. Wie auch bei den Hochschulstrategien wird zudem ein Unterschied zwischen den Hochschultypen und den Trägerschaften und Aufsichtsbehörden deutlich. Dabei zeigt sich, dass neben den 39 staatlich anerkannten kirchlichen Hochschulen auch keine der vier Hochschulen mit anderen Aufsichtsbehörden, keine der 57 Kunst- und Musikhochschulen und auch keine der sechs Pädagogischen Hochschulen oder der zwei Dualen Hochschulen eine explizite Digitalisierungsstrategie veröffentlicht hat. Bundeslandübergreifend verfügen Universitäten mehr als doppelt so häufig wie Hochschulen für Angewandte Wissenschaften über eine öffentlich zugängliche Digitalisierungsstrategie.

Es ist nicht davon auszugehen, dass das Fehlen einer expliziten veröffentlichten Digitalisierungsstrategie auch das Fehlen einer strategischen Auseinandersetzung mit Digitalisierung in Studium und Lehre bedeutet. Daher fokussierte die Inhaltsanalyse beide Strategietypen (Hochschulstrategien und Digitalisierungsstrategien), um nach im Konzept genannten Kriterien die hochschulspezifische Thematisierung von Digitalisierung in Studium und Lehre zu rekonstruieren.

3 Ergebnisse der Analyse der Hochschul- und Digitalisierungsstrategien

Hochschulen sind besondere Organisationen und unterscheiden sich in ihren Strukturen, strategischen Ausrichtungen und Kulturen von Organisationen aus dem unternehmerischen Kontext. Jedoch sind die allgemeinen Handlungsrahmen von strategischer Handlungsorientierung, Struktur und Kultur (vgl. Kirsch 1997) durchaus auf Hochschulen übertragbar, da auch Hochschulen eine funktionierende Verbindung zwischen strategischen Zielen und unterstützenden Strukturen und Kulturen herstellen müssen. Studien aus dem Bereich des strategischen Managements betonen die Rolle strategischer Pläne als wichtiges Mittel für die langfristige Entwicklung von wirtschaftlichen und gemeinnützigen Organisationen (vgl. Schneider et al. 2007) Im Folgenden werden die o.g. Forschungsfragen mit den Analyseergebnissen der Hochschulstrategien und Digitalisierungsstrategien anhand des Modells von Kirsch (1997) anhand folgender Systematisierungsdimensionen vorgestellt

  1. Strategische Handlungsorientierung
  2. Organisationskultur
  3. Organisationsstruktur

und um

  1. Kontextfaktoren und
  2. Akteur_innen ergänzt.

Strategische Pläne können durch die Beschreibung intendierter zukünftiger Aktivitäten Orientierung für das zukünftige Handeln bieten (vgl. Kirsch 1996). Daher ist von Interesse, welche strategischen Orientierungen in den Hochschulstrategien und Digitalisierungsstrategien zu finden sind und wie sie formuliert werden.

In den hier vorliegenden Strategien sind die strategischen Handlungsorientierungen übergreifend nur teilweise deutlich. Oft müssen sie herausgelesen werden, da sie nicht klar als solche benannt oder gekennzeichnet sind. Zudem wechseln die Beschreibungen insbesondere in den Hochschulstrategien zwischen dem aktuellen Stand und der zukünftigen Planung. Ebenso oft wird die Unterscheidung zwischen der Handlungsorientierung (Ziele) und den Maßnahmen, sowie die Verbindung zwischen ihnen nicht deutlich. Diese Feststellung ist dabei nicht neu und wurde bereits von Berthold 2011 in seiner Studie zu Hochschulentwicklungsplänen gemacht. Acht Jahre später scheinen Hochschulen somit immer noch Schwierigkeiten mit einer klaren Formulierung ihrer strategischen Handlungsorientierung zu haben. Dennoch waren durchaus übergreifend Handlungsorientierungen in der Inhaltsanalyse aller Dokumente ableitbar. Übergreifend konnten zwei grundsätzliche Handlungsorientierungen, im Sinne einer Reflektion über die Notwendigkeit der Strategieentwicklung, gefunden werden:

Strategische Entwicklung vorantreiben
Allgemein sehen Hochschulen die Notwendigkeit, Digitalisierung als ganzheitlichen Handlungsrahmen zu entwickeln, der sowohl Studium und Lehre, Forschung und Verwaltung einbezieht. In einigen Fällen wird ein Prozess von „Digitalem Empowerment“ beschrieben, in dem Digitalisierung als gleichzeitig kollektive, kooperative und individuelle Herausforderung gesehen wird und daher ganzheitlich betrachtet und gestaltet werden muss. Dies bedeutet, dass institutsübergreifend und einrichtungsübergreifend neue Prozesse des Miteinanders entwickelt werden müssen. Grundsätzlich ist jedoch kein gemeinsames Verständnis von Digitalisierung oder der Umsetzung in Studium und Lehre erkennbar.

Hochschulen im Wettbewerb positionieren
Die Hochschulen thematisieren verschiedene Herausforderungen, denen sie in der Vergangenheit gegenüberstanden und auch aktuell gegenüber stehen – sowohl global als auch regional. In diesem Zusammenhang wird die Entwicklung neuer und vor allem interdisziplinärer Studiengänge mit Bezug zu Digitalisierung benannt, aber auch die Anpassung vorhandener Studiengänge an die neuen Bedarfe. Ebenso wird die Kommunikation nach außen, beispielsweise über Social Media, als Mittel zur Positionierung formuliert. Hochschulen scheinen daher durchaus marktorientierte Handlungsorientierungen zu entwickeln und zu nutzen.

3.1 Strategische Handlungsorientierung in Studium und Lehre

Bezogen auf Digitalisierung in Studium und Lehre konnten folgende strategischen Handlungsorientierungen nachvollzogen werden:

Qualität weiterentwickeln und verbessern
Die Qualitätsverbesserung in Studium und Lehre durch digitale Medien wird unter zwei Perspektiven thematisiert. Einerseits soll sie der sog. Digitalen Kompetenzentwicklung (data und digital litarcy) von Studierenden dienen. Andererseits sollen auch die formalen Lernergebnisse durch den Einsatz digitaler Tools gesteigert werden. Übergreifend wird vor allem die Digitalisierung von administrativen Prozessen angestrebt, da dieser ein hohes Potenzial zur Qualitätsverbesserung und insbesondere zur Effizienzsteigerung in Studium und Lehre zugeschrieben wird.

Kooperationen aufbauen, stärken und nutzen
In den Dokumenten wird deutlich, dass Hochschulen die Notwendigkeit zur Kooperation im Bereich Digitalisierung erkennen. Neben den bilateralen Kontakten von Forscher_innen und Lehrenden oder auch Projektkooperationen werden vor allem institutionelle Netzwerke mit anderen Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen, aber auch Unternehmen angestrebt, sowohl im Inland als auch im europäischen Ausland. Als Mehrwert wird die effizientere Nutzung von Fördermitteln, aber vor allem der gemeinsame Umgang mit zukünftigen Herausforderungen durch Digitalisierung thematisiert.

Unterstützungsangebote schaffen
Teilweise kann beobachtet werden, dass Hochschulen darauf abzielen, ein umfassendes Angebot für die Produktion und den Gebrauch digitaler Medien und technischer Infrastruktur in Lehr-Lern-Prozessen aufzubauen und zu entwickeln. Dies bedeutet auch, neue Strukturen für den IT- und Medien-Support zu schaffen und bestehende zu verbessern. So fokussieren Hochschulen zentralisiertes und dezentralisiertes Informationsmanagement, um akademische und administrative Prozesse zu unterstützen. In diesem Zusammenhang konzentrieren sich Hochschulen auf standardisierte digitale Lösungen, inklusive integrierter Informationssysteme, kollaborativer Editoren und Online-Speicher, um ihre eigene Attraktivität und die Benutzerfreundlichkeit und Ertragsfähigkeit dieser Lösungen zu steigern. Neben diesen eher technologiebezogenen Services fördern Hochschulen ebenfalls die Etablierung neuer Services zur Unterstützung von Forschenden und Lehrenden sowie des administrativen Personals in ihren lehr- und lernbezogenen Aufgaben, z.B. neue Beratungseinheiten.

Präsenzlehre anreichern
Eine hohe Anzahl strategischer Pläne betonen die Wichtigkeit von Präsenzlehre in Kombination mit dem Gebrauch und der Implementierung digitaler Medien und Tools. Digitalisierung sollte daher nicht als eine neue akademische Lehr- und Lernweise betrachtet werden, sondern als eine durch die Anwendung neuer digitaler Tools angepasste Lehr- und Lernweise. In dieser Hinsicht vervollständigen E-Learning-Module und -Aufgaben die traditionellen Lehr-Lern-Methoden in Form von Blended Learning oder technologiegestütztem Lernen, z.B. durch das Nutzen von Chats, Blogs, Wikis, Flipped-Classroom oder Social Bookmarking.

Didaktische Innovationen fördern
Zusätzlich zu den etablierten Lehr-Lern-Szenarien wird die Reflexion über das Integrieren innovativer Formen in den Lernprozess verstärkt. Dies beinhaltet auch die Konzeption und die Ausstattung eines Experimentierfeldes für digitale Medien. Einige Hochschulen fördern kleine Pilotprojekte in Bezug auf Lernen und Lehren, bevor die Erkenntnisse an einen breiteren, möglicherweise hochschulweiten Kontext angepasst werden. Hochschulen setzen sich mit neuen Möglichkeiten auseinander, Lehr-Lern-Prozesse zu entwerfen, um motivierende und inspirierende Lernumgebungen durch den Gebrauch adäquater didaktischer Methoden zu schaffen. Dies bedeutet ebenfalls, dass die weitere Entwicklung von E-Learning-Konzepten von geeigneten IT-Infrastrukturen abhängt.

Neue Zielgruppen erschließen und ansprechen
Das Ziel ist, flexible Bildungswege für traditionelle, aber auch nicht-traditionelle Zielgruppen zu stärken, um lebenslanges Lernen zu unterstützen. In diesem Sinne werden digitale Tools und Medien genutzt, um neuen Zielgruppen aus unterschiedlichen geographischen Kontexten und Bildungszusammenhängen den Zugang zum Lehren und Lernen in Hochschulen zu gewährleisten. Diese Zielgruppen sind z.B. berufserfahrene Akademiker_innen, internationale Studierende oder Arbeitende, die auf der Suche nach neuen Qualifikationsstufen sind. Dies könnte ebenfalls die Attraktivität der Hochschulen steigern, da die Diversität der Lernenden in der Lernumgebung betont.

Individualisierung und Flexibilisierung von Studium und Lehre fördern
Eine der am häufigsten formulierten strategischen Aktionen ist die Flexibilität und Individualisierung von Lehr- und Lernwegen. Da Biographien von Studierenden nicht mehr so geradlinig und homogen wie bisher sind, müssen Hochschulen sich an diese größere Diversität in den Interessen, Voraussetzungen und Studien- bzw. Berufsphasen anpassen. Durch eine Steigerung des Gebrauchs digitaler Tools und E-Learning-Formate zielen Hochschulen somit darauf ab, die Flexibilität der Lehrenden zu erhöhen, gemäß der steigenden Anzahl der Studierenden mit individuellen Bedürfnissen wie z.B. familiären Verantwortlichkeiten. Hochschulen wollen Lehr- und Lernwege entwerfen, die flexibel in Raum und Zeit sind und genügend Freiraum für individuelle Entscheidungen bzgl. des Fokusses innerhalb dieser Wege lassen. In dieser Hinsicht ist das Ziel der Hochschulen ebenfalls, innovative und flexible Lehr-Lern-Formate sowie Selbstlernmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Studierende auf die zukünftige Arbeitswelt vorbereiten
Technologie und Digitalisierung sind die präsentesten und bedeutendsten Treiber für die Zukunft der Arbeit. In dieser Hinsicht nehmen Hochschulen ihre Rolle wahr, Studierende auf Jobs vorzubereiten, die erst noch geschaffen werden. Lehr-Lern-Formate müssen also so gestaltet werden, dass Studierende in der Lage sein werden, die Anforderungen ihrer künftigen Arbeit zu erfüllen. Dies bedeutet auch, dass Hochschulen Studierende für den globalisierten Arbeitsmarkt in Business, Gesellschaft und Wissenschaft vorbereiten, indem sie den Gebrauch grundlegender technologischer Prozesse, Fragen, Anwendungen und didaktischer Formate in Lehr-Lern-Infrastrukturen kombinieren und fördern.

E-Assessment weiterentwickeln
Hochschulen zielen darauf ab, den Gebrauch von E-Assesment-Formaten in Lehr-Lern-Wegen zu integrieren und zu fördern. Damit versuchen sie, die Durchfallquote der Studierenden zu reduzieren, da E-Assessments höhere Flexibilität bei der Einschätzung von Lernerfolgen innerhalb der unterschiedlichen Hochschuldisziplinen unterstützen. Darüber hinaus zielen die Hochschulen auf eine Optimierung von Lehr-Lern-Prozessen und eine Verbesserung der objektiven Prüfungsevaluation ab. Außerdem bedeutet dies, neue und innovative Formen der Beurteilung von Lernerfolgen zu berücksichtigen, z.B. in Form von ePortfolios, substantiellen Beiträge in Diskussionsforen oder kooperativen Gruppenarbeiten. Diese neuen Prüfungsformate müssen in den allgemeinen Prüfungsverordnungen verankert werden. Um diese Ziele zu erreichen, können operationelle Aktivitäten in drei strategischen Hauptdimensionen – Strategie, Struktur und Kultur – als Hauptelemente des organisatorischen Kontextes identifiziert werden.

3.2 Organisationskultur

Organisationskultur bezieht sich auf die geteilten Werte, Haltungen und Verhaltensnormen, die die Tendenzen im Verhalten von Individuen in einer Organisation schaffen. Insbesondere im Hinblick auf Digitalisierung müssen Organisationen die elementare Rolle der Organisationskultur berücksichtigen (Loewe/Dominiquini 2006; Tellis et al. 2009). Das erfolgreiche Integrieren und Anpassen digitaler Tools in Lehr-Lern-Prozesse hängt stark von einer innovativen Umgebung ab. Da Forschende sich über die positive Relevanz der Organisationskultur für Innovation einig sind, könnte diese eine Schlüsselrolle bei der strategischen Orientierung von Hochschulen bzgl. Studium und Lehre in einem digitalen Zeitalter spielen (Kezar/Eckel 2002). Folglich könnte eine Organisation die Kreativität und Innovation durch Maßnahmen, Strategien, Verfahren und die Gestaltung ihrer Organisationsstruktur unterstützen. In den Daten können vier Hauptfelder in der Ausrichtung des strategischen Handelns bzgl. der Organisationskultur identifiziert werden:

Bereitschaft Wissen zu teilen und Kooperation und Kollaboration fördern
Wenn es um den Gebrauch digitaler Tools und Medien im Studium und Lehre geht, berücksichtigen Hochschulen ebenfalls die Potentiale des Teilens von Materialien als OER (open educational resources) innerhalb der eigenen Institution, aber auch mit externen Akteur_innen. Openness (Offenheit) muss von speziellen Supportstrukturen begleitet werden, da sie Lehr- und Lern-Wege in andere Dimensionen setzt. Sie fördert ebenfalls die Kooperationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Statusgruppen. Dies zeigt eine Notwendigkeit eines kulturellen Wandels hin zu einem offenen und intensiveren Austausch von Lehrmaterialien und Forschungsdaten. Allerdings müssen für die Implementierung dieser Denk- und Handlungsweise in Hochschulen neue Forschungs- und Lehrformen entworfen werden, die die Qualität von Lern- und Forschungsprozessen sowie von Ergebnissen verbessern können.

Spezifika von Fachdisziplinen berücksichtigen
In den analysierten Daten zeigt sich eine Hauptforderung bzw. Hauptziel der Hochschulen: die disziplinspezifischen Merkmale und Anforderungen müssen berücksichtigt werden, um den Gebrauch und die Integration digitaler Tools und Medien in innovativen Lehr-Lern-Formaten voranzutreiben. Sie räumen hiermit die Tatsache ein, dass Disziplinen variieren bzgl. ihrer Bereitschaft, digitale Tools zu nutzen und ihre Lern- und Lehr-Erfahrungen im Hinblick auf den digitalen Wandel, von dem Hochschulen beeinflusst werden, überdenken. Folglich variiert die Akzeptanz und Unterstützung von E-Learning je nach Disziplin. Dies bedeutet, dass Hochschulen Support-Systeme an die Bedürfnisse und Anforderungen jeder Disziplin anpassen müssen.

Interne und externe Kommunikation stärken
Eine andere kulturelle Dimension, die stark vom digitalen Wandel betroffen ist, ist das interne und externe Kommunikationssystem. Digitalisierung im Studium und Lehre beeinflusst in diesem Sinne also auch die Art und Weise, wie in Lehr-Lern-Prozessen involvierte Teilnehmende in der Lage sind, zu kommunizieren und wie Kommunikatinsprozesse nach innen und außen geöffnet werden können. Folglich nehmen Hochschulen mehr und mehr die hohe Relevanz ihrer eigenen Internetseiten und Kanäle in sozialen Medien wahr, um ihre ganzheitliche Entwicklung im digitalen Zeitalter von einer Binnenperspektive aus zu unterstützen. Gleichzeitig positionieren sich die Hochschulen aber auch im Wettbewerb mit den privaten Bildungsanbietern.

Anreizsysteme schaffen
Der Gebrauch digitaler Tools und Medien in Lehr-Lern-Prozessen muss konsequent in der Lehre berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass Hochschulen für die Schaffung und Nutzung geeignete Anreize schaffen müssen, da die benötigte Zeit für gewöhnlich den Rahmen der Vorbereitung überschreitet. Dies sollte entsprechend betrachtet werden. 

3.3 Organisationsstruktur

„Typischerweise wird die Struktur einer Organisation als „the sum total of the ways in which it divides its labor into distinct tasks and then achieves coordination among them” (Mintzberg 1979: 2) definiert. Darüber hinaus können Organisationsstrukturen im Sinne von Hierarchie, Formalisierung, Zentralisierung und Spezialisierung klassifiziert werden. Diese Konstrukte definieren die Strukturen einer Organisation. In der Analyse konnten drei strukturelle Maßnahmenfelder identifiziert werden:

Technische Infrastruktur schaffen und/oder ausbauen
Eine hohe Anzahl strategischer Pläne betont die Etablierung bzw. Ausweitung zentraler IT-Strukturen, die integrierte Campus-Management-Systeme sowie Lern-Management-Systeme fokussieren. Darüber hinaus sollen nützliche IT-Services, die von anderen Institutionen zur Verfügung gestellt werden, sowie die Anforderungen an neue technische Ausstattungen und Anwendungen identifiziert werden. Im Fall der expliziten IT-Strategien kann festgestellt werden, dass dezentrale Bedarfe und fachspezifische Anforderungen erkannt, vor allem aber zentrale Lösungen angestrebt werden und in diesem Zusammenhang „Insellösungen“ zusammengeführt bzw. vermieden werden sollen. Bibliotheken wird eine spezielle Rolle zwischen technischen Infrastrukturen und Support-Einheiten zugeschrieben, da ihre Dienste digitalisiert werden sollten, z.B. indem mehr E-Zeitschriften, E-Books oder Publikationsarchive, aber auch Schulungen zum Thema Datenschutz angeboten werden.

Unterstützungseinheiten und -angebote schaffen und/oder ausbauen
Die Inhaltsanalyse zeigt – insbesondere in Universitäten – eine große Vielfalt in den bestehenden zentralen Unterstützungseinheiten, die von Bibliotheken, Rechenzentren, didaktischen Zentren, E-Learning- bzw. Medien-Zentren bis zum Qualitätsmanagement reicht. Die meisten Hochschulen zielen daher darauf ab, die Unterstützungseinheiten und ihre Aufgaben zu bündeln und zu systematisieren, um eine systematische Entwicklung der technischen und didaktischen Support-Services bzgl. der Digitalisierung im Studium und Lehre zu ermöglichen. Dafür werden Komitees angesetzt, neue Arbeitsplätze geschaffen und/oder Verantwortlichkeiten bzw. Aufgaben definiert. Dies beinhaltet oft eine Stärkung der organisatorischen Verknüpfung zur Hochschulleitung. Hochschulen ohne zentrale Unterstützungseinheiten zielen darauf ab, Didaktik- und/oder E-Learning-Zentren zu schaffen, um ihrem akademischen Personal Support-Services zur Verfügung zu stellen. Diese bestehenden oder noch zu entwickelnden Services beinhalten hauptsächlich Schulungen und Qualifizierungen sowie Beratung zum didaktischen Design, aber auch die Anwendung oder Entwicklung von Lernmaterialien. Evaluationen und Unterstützung in der Entwicklung von Studiengängen sowie Evaluationen der Prozesse werden ebenso als Services mit speziellem Fokus des Qualitätsmanagements genannt. Die Entwicklung neuer Curricula in Studiengängen kann als separates Thema identifiziert werden, das hauptsächlich interdisziplinäre Studienprogramme wie Media Engineering oder die Einbeziehung von Digitalisierung in bestehende Studienprogramme fokussiert.

Personal (weiter)entwickeln
Mit Blick auf die Personalentwicklung beziehen sich Hochschulen auf die Qualifizierung und Lehr- bzw. Medienkompetenzen ihres neuen Personals, das zur Teilnahme an Schulungen verpflichtet ist, begleitende Schulungen ihres bisherigen Personals, die Rekrutierung von qualifiziertem Support-Personal sowie die Notwendigkeit, unbefristete Verträge für bestehendes Support-Personal zu schaffen.

3.4 Thematisierte Kontextfaktoren und externe Impulse

Verschiedene Forschende verweisen auf die Bedeutung kontextueller Einflüsse auf die strategische Planung (Papadakis/Lioukas/Chanbers 1998). Auch bei Hochschulen kommt es darauf an, welche Gelegenheiten, Gefahren, Einschränkungen oder andere Entwicklungen sie aus ihrer Umwelt wahrnehmen. Für die vorliegende Studie war von besonderem Interesse, welche Einflüsse in den Strategien genannt werden bzw. welche Argumente für eine strategische Auseinandersetzung mit Digitalisierung in Studium und Lehre genannt werden.

Die meisten Hochschulen verweisen in ihren Hochschulstrategien (Hochschulentwicklungsplan, Struktur- und Entwicklungsplan) auf die entsprechenden Landesgesetze oder die Absprachen mit dem Ministerium hinsichtlich der Erstellung oder der thematischen Schwerpunkte der Dokumente. Einige Hochschulen weisen explizit auf diesen externen Impuls als Grund für das Dokument hin und/oder ergänzen dies um den internen Impuls, die notwendige strategische Planung für die Entwicklung eigener Ziele und Visionen zu nutzen.

In den Digitalisierungsstrategien wird hingegen kaum auf den landespolitischen Rahmen verwiesen. Verweise auf Empfehlungen oder Positionen der KMK oder anderer Bundesinitiativen sind jedoch vertreten. Die Impulse sind fast ausschließlich extern zu verorten. Digitalisierung scheint damit als eine der „großen Herausforderungen“ für die Organisation Hochschule gesehen zu werden, wenngleich sie nicht die einzige darstellt. Ebenso Internationalisierung, Heterogenität der Studierenden oder Globalisierung werden benannt. Digitalisierung als Herausforderung zeichnet sich durch die Unvorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklung und der Konsequenzen für Arbeitsmarkt und Gesellschaft aus und damit auch für die Art des Lernens und Lehrens, aber auch der Forschung. Es verändert die Art, wie Menschen kommunizieren, recherchieren und zusammen arbeiten. Bezüglich Digitalisierung wird übergreifend deutlich gemacht, dass Studierende und Lehrende erwarten, dieselben technischen Möglichkeiten nutzen zu können wie in ihrem Privatleben. In diesem Zusammenhang werden private Anbieter_innen auch als Konkurrenz für Studium und Lehre wahrgenommen, was im Einklang mit Strategieentwicklung zur Positionierung im Wettbewerb steht. Dieser Wettbewerb scheint somit jedoch weniger zwischen den Hochschulen als zwischen Hochschulen und Privatunternehmen gesehen zu werden.

3.5 Beteiligte Akteur_innen

In der Analyse wurde ein Unterschied sowohl zwischen den Hochschulen, aber insbesondere zwischen den Strategien deutlich. In den Hochschulentwicklungsplänen wird teilweise, aber nicht immer, nur darauf verwiesen wird, dass

1) das Dokument von der Hochschulleitung beschlossen wurde, 2) eine Abstimmung in oftmals nicht näher ausgeführten Gremien stattfand und/oder 3) der Hochschulentwicklungsplan Ergebnis von Diskussionen und Konsultationen von nicht näher ausgeführten Hochschulgruppen darstellt.

Jedoch integrieren einige Hochschulentwicklungspläne Fakultätsentwicklungspläne, wie beispielsweise die Hochschule Bremen, die von den Fachbereichen/Fakultäten erstellt wurden und abgestimmte, jedoch spezifische Ausgangsbedingungen und Zielsetzungen beschreiben. Digitalisierungsstrategien verweisen deutlicher auf Akteur_innen und Entwicklungsprozesse als Hochschulstrategien In den Digitalisierungsstrategien, zum Beispiel der Ruhr-Universität Bochum werden die beteiligten Akteur_innen bzw. Einrichtungen beschrieben. Bei den IT-Strategien wird deutlich, dass Hochschulen einen eigenen Ausschuss dafür gegründet haben und/oder ein_e Chief Information Officer (CIO), die_der die strategische Entwicklung koordiniert. Die Existenz eines_r CIO ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Existenz einer IT-Strategie. So zeigt sich in dem Vergleich von öffentlich zugänglichen IT-Strategien und der Anzahl von CIOs (73) eine deutliche Diskrepanz. Nur zwölf Hochschulen konnten identifiziert werden, die sowohl über eine_n CIO bzw. Digitalisierungsbeauftragte_n und eine öffentlich-zugängliche IT-Strategie verfügen. Während bei den Hochschulentwicklungsplänen meist nicht deutlich wird, wie und durch wen die Strategie entwickelt wurde, zeigt sich insbesondere bei den Digitalisierungsstrategien die Vielfalt der Strategieentwicklungsprozesse an Hochschulen. Eine Digitalisierungsstrategie, die nicht in die Analyse aufgenommen wurde, ist die der Beuth Hochschule, da die Gesamtstrategie zum Erhebungszeitraum noch nicht öffentlich zugänglich war. In der Beuth Hochschule entwickelten zwischen 2015 und 2017 im Rahmen eines geförderten Projektes die Fachbereiche ihre Digitalisierungsstrategien, welche anschließend in eine Dachstrategie integriert wurden. Sowohl bei den Digitalisierungsstrategien der Hochschulen als auch bei den Digitalisierungsstrategien der Bundesländer fällt auf, dass sie wert auf eine partizipative und transparente Entwicklung legen. Eine ähnlich zunehmend partizipative und transparente Form der Strategieentwicklung ist darüber hinaus aktuell bei den Lehrstrategien im Zuge der Systemakkreditierung zu beobachten.

4 Fazit

Seit mehr als 20 Jahren wird Digitalisierung in der Hochschulbildung unter verschiedenen Begrifflichkeiten diskutiert und umgesetzt. Lange Zeit wurde Digitalisierung jedoch nicht als Thema für die Hochschulen als Gesamtsystem gesehen. Neben den veränderten Förderprogrammen weisen auch die begrifflichen Veränderungen weisen darauf hin, dass ein Umdenken stattgefunden hat und mittlerweile Einigkeit herrscht, dass Digitalisierung nicht nur Lehr- und Lernprozesse zwischen Studierenden und Lernenden oder nur die Übertragung analoger Prozesse in ihre digitalen Abbilder bedeutet, sondern alle Prozesse und Leistungsbereiche von Hochschulen betrifft. Insofern ist in der vorliegenden Studie deutlich geworden, dass sowohl die Hochschulpolitik als auch die Hochschulen Digitalisierung in Studium und Lehre als strategisches Thema wahrnehmen.

4.1. These: Stetige Zunahme öffentlich zugänglicher Strategiepapiere

Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Themen, die Hochschulen integrieren müssen und der Reformprozesse im Rahmen des New Public Management, nutzen Hochschulen bereits seit den 1990er Jahren Leitbilder, Mission Statements und Strategien als strategische Instrumente. So zeigt sich bspw., dass kirchliche Hochschulen und Hochschulen, die nicht dem Wissenschaftsministerium des Landes untergeordnet sind, freiwillig eine Hochschulstrategie entwickeln und veröffentlichen, ohne zur Entwicklung eines Hochschulentwicklungsplans verpflichtet zu sein. Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, dass die Verpflichtung von öffentlich-rechtlichen Hochschulen in Trägerschaft des Wissensministeriums einen solchen Plan zu entwickeln, durchaus zu einer hohen Anzahl an öffentlich zugänglichen Hochschulstrategien führt, wenngleich die Korrelation nicht sehr stark zu sein scheint.

Dies muss hinsichtlich der Digitalisierungsstrategien noch stärker relativiert werden. In Sachsen, aber auch in Bayern und Baden-Württemberg, die ihre Landesstrategien für Digitalisierung 2014 bzw. 2015 veröffentlicht haben, hat dies nicht zu einem überdurchschnittlichen Prozentsatz von Hochschulen mit öffentlich zugänglicher Digitalisierungsstrategie geführt.

In diesen Fällen könnte die Begründung möglicherweise in der Auffassung von Digitalisierung im Sinne von Modernisierung oder Profilierung zu finden sein, d.h. dass eine Veröffentlichung von Digitalisierungsstrategien im Wettbewerb als nachteilig wahrgenommen wird. Andererseits wäre es möglich, dass Digitalisierung nicht als ein Profilierungs-Thema betrachtet wird, sondern vielmehr als eines der internen Modernisierung (vgl. Getto & Kerres 2017), weshalb die Strategien nicht veröffentlicht werden.

Zusätzlich muss erneut betont werden, dass das Fehlen einer öffentlich zugänglichen Strategie nicht bedeutet, dass sich Hochschulen nicht strategisch mit Digitalisierung auseinandersetzen. Drei Fälle fallen in diesem Zusammenhang bei der Auseinandersetzung mit den insgesamt erhobenen Dokumenten besonders auf. Sieben Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Hochschule Bremen, HAW Hamburg, Technische Hochschule Köln, Hochschule München, FH Münster und Hochschule Osnabrück) haben ein gemeinsames Positionspapier „Strategische Entwicklung einer kompetenzorientierten Lehre für die digitale Gesellschaft und Arbeitswelt“ (Quelle) verfasst, die sie auch teilweise auf ihren Webseiten veröffentlicht haben. Das Dokument wurde von der Arbeitsgruppe Studium und Lehre bestehend aus den Vizepräsident_innen der beteiligten Hochschulen verfasst. Es werden Konsequenzen für die Lehre und die Bildungspolitik formuliert. Ziele oder Maßnahmen für die beteiligten Hochschulen sind nicht benannt.

4.2. These: Hochschulen ohne explizite Digitalisierungsstrategie integrieren Digitalisierung in Studium und Lehre zunehmend in ihren Hochschulstrategien

Eine der wichtigsten Erkenntnisse bezüglich der Hauptforschungsfrage ist, dass die meisten Hochschulen ohne explizite Digitalisierungsstrategie strategische Ziele für Digitalisierung in Studium und Lehre in ihre Hochschulstrategien integrieren. Dennoch gibt es noch Hochschulen, die Digitalisierung nicht in ihre allgemeinen strategischen Planungen aufnehmen. Da Digitalisierung in der Hochschulbildung jedoch in allen Bundesländern als strategisches Thema erkannt wurde, kann ein Aufkommen weiterer Digitalisierungsstrategien auf Hochschulebene sowie die Aufnahme von Digitalisierung in Studium und Lehre in Hochschulstrategien in Zukunft erwartet werden. Einen Hinweis auf diese Entwicklung gibt die Erkenntnis, dass vor 2015 entwickelte Hochschulstrategien das Thema Digitalisierung in Studium und Lehre selten enthalten. Die zunehmende Bedeutung von Digitalisierung als strategisches Thema für Hochschulen wird auch in einer kleinen Anfrage (Quelle) in Berlin deutlich, die sich der Frage widmete, welche Berliner Hochschulen über eine Digitalisierungsstrategie verfügen. Die Antworten vom 22.03.2019 zeigen sowohl Komplexität und Unterschiedlichkeit der Herangehensweisen als auch die Tatsache, dass sich viele Hochschulen aktuell im Prozess der Strategieentwicklung befinden. Sie zeigen zudem, dass Hochschulen entweder entscheiden, Digitalisierung als eigenes Thema in einer Strategie zu behandeln oder in die Gesamthochschulstrategie – im Fall der Hochschule für Wirtschaft und Recht im Struktur- und Entwicklungsplan zu integrieren. Auch in der bundesweiten Debatte wird dem Thema aktuell eine signifikante Bedeutung beigemessen (vgl. hierzu bspw. das KMK-initiierte Vernetzungstreffen der Länder.

4.3. These: Hochschultypen und Trägerschaft haben einen Einfluss auf die strategische Wahrnehmung von Digitalisierung in Studium und Lehre im Kontext von Strategiepapieren

Die Unterschiede hinsichtlich des Hochschultyps und Trägerschaft zeigen sich insbesondere bei Kunst- und Musikhochschulen und kirchlichen Hochschulen. Bezüglich der kirchlichen Hochschulen wurde deutlich, dass keine über eine eigene öffentlich zugängliche Digitalisierungsstrategie verfügt. Die Inhaltsanalyse der verfügbaren Hochschulstrategien macht deutlich, dass Kunst- und Musikhochschulen Digitalisierung in Studium und Lehre selten als strategisches Ziel in ihren Hochschulstrategien nennen und gleichzeitig keine öffentlich zugänglichen Digitalisierungsstrategien vorweisen. In Baden-Württemberg ist jedoch eine Projekt der Evangelischen Landeskirche zu finden, dass 2017 eine „‘Digitale Roadmap‘, einen strategischen Fahrplan für die Digitalisierung in der Landeskirche“ (Quelle) entwickelt hat. Wenngleich die Hochschulen in ihrer Trägerschaft nicht explizit erwähnt werden, ist davon auszugehen, dass sie einbezogen werden. Das Bistum Fulda hat 2016 eine IT-Strategie (Quelle) veröffentlicht, die alle Einrichtungen und Körperschaften umfasst, darunter auch die Theologische Fakultät Fulda, Kath. Theologisches Seminar Marburg. Die Strategie verfolgt das Ziel „eines einheitlichen EDV-Arbeitsplatzes für das gesamte Bistum“ (S. 3).

4.4. These: Zunehmende Bedeutung von Kooperationen und Netzwerken im Kontext von Digitalisierung in Studium und Lehre

Im Zusammenhang mit der bereits genannten Zielsetzung in den strategischen Dokumenten, Kooperationen zu stärken, fällt insbesondere bei den IT-Strategien auf, dass oft Verweise auf Netzwerke erfolgen. Dabei werden insbesondere folgende Netzwerke genannt:

Eine Anfrage an die ZKI ergab, dass aktuell kein Überblick über entwickelte IT-Strategien an deutschen Hochschulen vorliegt.

5 Weiterer Forschungsbedarf

Das Forschungsfeld des strategischen Managements von Hochschulen befindet sich noch in einer eher frühen Entwicklungsstufe mit vielen möglichen Forschungsperspektiven von Problemidentifizierung bis Strategieentwicklung.

So ist bspw. offen, worauf das Fehlen öffentlich zugänglicher Strategien tatsächlich zurückzuführen ist. Auch kann die Inhaltsanalyse der Hochschulstrategien nicht die Frage beantworten, welche Akteur_innen in der Strategieentwicklung involviert waren, da Hochschulen selten den Entwicklungsprozess in ihren strategischen Plänen beschreiben. Darüber hinaus besteht eine qualitative Forschungslücke in der Frage, ob die aufgrund einer föderalen Auflage entstandenen Hochschulstrategien tatsächlich dem strategischen Planen dienen oder vor allem als „politische oder rechtlich geforderte Hausaufgabe, aufzuschreiben, wo die Hochschule steht und wohin sie sich in den nächsten Jahren entwickeln wird” (vgl. Berthold 2011: 61) gesehen werden. Dies wäre insbesondere eine Forschungsfrage im Vergleich zwischen den aktuell 12 Bundesländern, die einen Landeshochschulentwicklungsplan haben, der Aufgaben für die öffentlich-rechtlichen Hochschulen vorgibt und den vier anderen, in denen keine inhaltlichen Vorgaben gemacht werden oder aber auch der kirchlichen, die nicht zu einer Entwicklung einer strategischen Planung verpflichtet sind.

Bezüglich der Digitalisierungsstrategien wird allgemein deutlich, dass die Entwicklungsprozesse transparenter beschrieben werden und auch häufiger partizipativer als Hochschulentwicklungspläne entwickelt zu werden. Ein Nachweis oder eine Begründung dafür konnten im Rahmen des vorliegenden Projektes ebenfalls nicht rekonstruiert werden.

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